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Dienstag, 14. Januar 2014

HUSSERL: LOGISCHE UNTERSUCHUNGEN, BD. 2 (PHÄNOMENOLOGIE UND THEORIE DER ERKENNTNIS)

QUELLEN UND LITERATUR (in Kurzangabe):

zugrundeliegender Text (Logische Untersuchungen)
Wikipedia für evtl. Bildmaterial
Meyers Taschenlexikon; Mannheim 1987
Hügli, Anton/Poul Lübcke: Philosophielexikon; Reinbek 2013
UTB Handwörterbuch Philosophie; Stuttgart 2003
Zahavi, Dan: Husserls Phänomenologie; Stuttgart 2009



LOGISCHE UNTERSUCHUNGEN - II, IHA



§§ 26 - 29

Vorabdefinitionen:

Intentionalität: Gerichtetheit (des Bewusstseins)

Intentionalität (lat. intendere - sich auf etw. wenden, richten) bezeichnet die Gerichtetheit im Allgemeinen und hier die Gerichtetheit des Bewusstseins im Speziellen.
In die philosophische Debatte wurde der Begriff von Brentano eingeführt, der mit ihm als Kriterium zwischen Psychichem und Physischem unterscheidet und der die Psychologie gegen die naturalistischen Tendenzen seiner Zeit verteidigen will. Für Brentano ist der Psychologie eine Intentionalität zu eigen, die dem Physischen fehle.
Bsp.: Gedanken, Imaginationen oder Emotionen verwiesen auf etwas anderes (als psychischer Akt).
Der Gegenstand müsse aber selbst nicht existieren (z. B. Einhörner). Ähnlich verhielte es sich bei unerfüllbaren Wünschen.

Bei Husserl wird Intentionalität zur zentralen Kategorie. Er bezeichnet damit die Gerichtetheit des Bewusstseins auf einen Gegenstand.
Für Husserl basiert sie darauf, dass Empfindungsdaten, die im Bewusstsein vorkommen, eine vergegenständlichende Auffassung erführen.
Diese Empfindungen, die zunächst nur zeitlich hintereinander und räumlich nebeneinander aufträten, erhielten in einem besonderen Akt der Apperzeption eine Formung zu Gegenständen.
Daneben gibt es Intentionalität auch als Gerichtetheit des Bewusstseins auf Dinge der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Intentionalität liegt für Husserl auch dann vor, wenn etwas nur gedacht wird, ohne dass gleichzeitig ein entsprechender Sachverhalt anschaulich wahrgenommen wird. Das ist dann eine Leerintention.
Mit ihrer Erfüllung wäre ein gedanklicher Satz wahr.
Intentionalität liegt sogar dann vor, wenn nicht wahrgenommene gegenständliche Aspekte gedacht werden. Ein Beispiel wäre die Rückseite eines Gegenstandes, die nach Husserl jeder Gegenstandswahrnehmung implizit enthalten sei und damit intendiert werde.

In der aktuellen philosophischen Debatte wird der Streit um die Existenz des Mentalen fortgesetzt.
Roderick Chisholm (1916 - 1999) hat in den 50er-Jahren die Intentionalität gegen behavioristische Reduktionsversuche verteidigt, John Searle (* 1932) versucht heute, die Unverzichtbarkeit (Irreduzibilität) zu beweisen.
Entgegengesetzte Ansätze versuchen, das Geistige in Analogie zu einem Computerprogramm darzustellen.
Für Searle fehlt aber dem Computer die Selbsterkenntnis seiner Symbole, die der Mensch mit seinem (denkenden/erkennenden) Bewusstsein besitzt.

John Searle


Textstelle:

§ 26 Abwägung und Ablehnung der proponierten Auffassung (437)

Wie treffen wir zwischen diesen streitenden Möglichkeiten die Entscheidung?
[Inhalt von der Gattung Aktqualität unterscheiden]

1. Vorstellung als anstössige Ausnahme:

- Wesensgattung: intentionale Qualität (Vorstellung, Urteil, Wunsch, Wille)
- Vorstellung weiter differenziert: Vorstellung dieses oder jenes "Inhalts" (Materie)
- Urteilsqualitäten, Wunsch-, Willensqualitäten letzte Differenzen!
(Unterschiede des Inhalts sind nur Unterschiede der sich mit der jeweiligen Qualität komplizierenden Vorstellungsqualitäten)
- die Gleichförmigkeit kann nicht dadurch hergestellt werden, dass man die unterscheidenden Inhalte der verschiedenen Urteile (Wünsche, Vorstellungen) ebenfalls als Differenzen (der Qualitätsarten Urteil, Wunsch, Wille) auffasst
-> verschiedene reine Arten können nicht dieselben letzten Differenzen haben
-> sollen wir verschiedene Arten derselben Stufe annehmen (von denen nur einige letzte Differenzen sind)?

2. weitere Änderungen unserer Auffassung:

- Satz: jedes intentionale Erlebnis ist eine blosse Vorstellung oder impliziert Vorstellungen
  richtig?
- eine solche Bevorzugung der Vorstellungen (als Akte, Komplikation aller Akte) sieht wie eine zwecklose
  Annahme aus
- wenn die als Erlebnisse einer eigenen Gattung gefasste Inhalte nur durch Komplikation mit dem
  Aktcharakter des Vorstellens geeinigt sind/wären, dann erweist sich diese Komplikationsweise hier als
  fähig, einen Akt dieses Inhalts zustande zu bringen und müsste das tendenziell auch bei andersartigen Akten
  tun
- die Komplexionsforum von Vorstellungsqualität und Inhalt bedingt das Ganze (Vorstellung des Inhalts);
  warum sollte sie nicht bei anderen Akten wie Urteilen (Urteilsqualität und Inhalt) dasselbe tun?
- durch manche Aktarten ist eine Vermittlung gesetzlich gefordert;
  manche Aktqualitäten können nur in Komplexion auftreten
  (im Aktganzen liegen andere Aktqualitäten [auf dieselbe Materie bezogen] zugrunde)
-> aber: es ist unwahrscheinlich, dass das bei jeder Aktart so ist;
   bes. beim "blossen Vorstellen" wird nicht jeder Akt, der nicht selbst ein bl. Vorstellen ist,
   nur "durch ein Medium eines solchen Vorstellens seine Materie gewinnen"


§ 27 Das Zeugnis der direkten Intuition. Wahrnehmungsvorstellung und Wahrnehmung (438)
(innere Erfahrung)

- Argumentationsabschluss: "Zeugnis der Inneren Wahrnehmung"
  = Zeugnis der unmittelbaren intuitiven Wesensanalyse der intentionalen Erlebnisse
- Umkehrung in der Darstellung notwendig
- Evidenz der rechtverstandenen immanenten Wesenserschauung (falsch: innere Wahrnehmung) sehr wichtig!
- ihr Zeugnis (in begriffliche Fassung gebracht und ausgesagt) kann sehr viel einbüssen
- Berufung auf "innere Wahrnehmung": verschiedene Ansichten
-> die Täuschungen aus der Interpretation der Gegebenheiten sind in der
  phänomenolog. Wesensschau (-erschauung) einzeln abzuschätzen
- idem: Evidenz der allgemeinen Sätze aufgrund innerer Anschauung von Einzelfällen:
  diese Evidenz im Gegensatz zu den interpretierenden Einlegungen betrachtet
  (warum innere Wahrnehmung falsch?)
(...)
(Erläuterung 440, Weiterführung 441)
- es ist evident, dass jedes intentionale Erlebnis eine "Vorstellung" zur Grundlage hat;
  wir können nicht urteilen, ohne dass uns der Sachverhalt vorstellig ist/sei
  (ähnlich: Fragen, Zweifeln, Vermuten, Begehren)
- Vorstellung: alles, was wir ausserhalb solcher Zusammenhänge so bezeichnen?
  Gefahr der Äquivokation
(Beschreibung: In einer Argumentation wird dasselbe Wort auf unredliche Weise in zwei
verschiedenen Bedeutungen benutzt. - Homonymie, Polysemie)
- umstrittenes Gesetz: Jedes Akterlebnis ist entweder blosse Vorstellung hoder hat Vorstellungen zur
  Grundlage
- Problem: wenn wir uns wirklich streng deskriptiv an die Erlebnisse halten, dann wird eine Analyse der
  Akte, die nicht "blosse Vorstellungen" sind, nicht überall gelingen
- Aufgabe: wir setzen nun einen Fall wahrhafter Komplexion in der intentionalen Beziehungsweise (bei voller
  Identität der Materie) neben irgendeinen der zweifelhaften Fälle
- "ich kann mich nicht über etwas freuen, ohne dass mir das, worüber ich mich freue, in der Seinsweise
  gegenübersteht" (Wahrnehmung, Erinnerung, evtl. Urteilen i. S. d. Aussagens)
-> Komplexion unverkennbar
- Freude: der Aktcharakter der Freude basiert auf der Wahrnehmung
-> eigener Aktcharakter, eigene Materie, Materie für die Freude
- auch wenn der Charakter der Freude fortfällt, bleibt die Wahrnehmung bestehen
  (Bestandstück im konkret-vollständigen Erlebnis der Freude)

- Wahrnehmung: Beispiel zweifelhafter Aktkomplexion
- Unterscheidung (wie bei allen Akten): Qualität und Materie
- "der Vergleich mit einer entsprechenden blossen Vorstellung, etwa einer blossen Phantasie, zeigt,
   wie derselbe Gegenstand als derselbe (...) und doch noch in ganz anderer "Weise" vergegenwärtigt sein
   kann"
(442)
- Wahrnehmung: leibhafte Gegenwärtigkeit (des Gegenstandes)
<-> Phantasievorstellung: Vorschweben (des Gegenstandes)
- es geht aber um einen anderen Unterschied: den durch Momente (weder Materie, noch Qualität)
- Vergleich: Wahrnehmung - blosse Vorstellung
  (unter Abstraktion von derartigen Unterschieden)
a) ein abstrakt Gemeinsames ist gegeben, die Materie
  (in je differenter Weise, in verschiedener Aktqualität)
b) Materie, die dem Wahrnehmen zugrunde liegt, soll selbst eine Aktqualität sein
  (als fundierter Akt blossen Vorstellens)
- Analyse: Wahrnehmung als Aktkomplexion? blosse Vorstellung als selbständiger Akt ablösbar?

- Illusion: In der Wahrnehmung eingewoben? eine isolierte blosse Vorstellung?
  hat die Illusion der Wahrnehmung die Materie beigestellt?
- Illusion anfangs: Wahrnehmung (noch nicht als Trug erkannt)
- Illusion später: Wahrnehmungscharakter fällt (Aktqualität des "belief"),
  die blosse Wahrnehmungsvorstellung bleibt übrig
-> gleiche Komplexion bei allen Wahrnehmungen anzunehmen
  (Ergänzung der jeweiligen Wahrnehmungsvorstellung durch belief-Charakter)
-> vgl.: Brainard, Marcus: Belief and its Neutralization: Husserl's System of Phenomenology in Ideas; New York 2002
- Beispiel: Panoptikum (Kuriositätenkabinett, Wunderkammer; spätestens seit Barock)
  wir begegnen (scheinbar) einer "liebenswürdigen Dame"
-> nach dem Durchschauen der Illusion (Trug) sehen wir eine Puppe, die die Dame "vorstellt" (simuliert)
-> zwei Dingerscheinungen durchdringen sich (und damit perziptive Auffassungen),
  die sich nach einem gewissen Erscheinungsgehalt decken
-> die Wahrnehmung des "Puppendinges" ist nicht Unterlage eines Abbildungsbewusstseins,
  sondern Puppe und Dame erscheinen in eins;
  der "aufmerkende Blick" kann sich bald dem einen bald dem anderen Objekt zuwenden -
  erscheinend, aber sich im Sein aufhebend;
-> trotzdem gibt es eine Gemeinsamkeit (Ähnlichkeit, Gleichheit) zw. Wahrnehmung und entspr. Vorstellung;   sie haben dieselbe Materie (i. e. dieselbe Dame mit identischen phänomenalen Bestimmtheiten;
  aber: einerseits als Wirklichkeit, andererseits als Fiktion (leibhaft erscheinendes Nightiges)
- Unterschied: Qualitäten
- "ungewöhnliche Gleichheit hinsichtlich der Materie und der übrigen ausserqualitativen Konstituentien der
  Akte
-> Gefahr des Wechsels vom Bildlichkeitsbewusstsein in das Wahrnehmungsbewusstsein;
  nur der lebendige Widerspruch hindert uns daran, den diese Wahrnehmungstendenz (Glaubenstendenz)
  erfährt "in ihrer Richtung auf die winkende Dame von seiten der mit ihr sich partiell deckenden, aber sie
  nach den anderen Momenten ausschliessenden Wahrnehmung der Puppe"
- "die Differenz ist aber von einer Art, dass der Gedanke ausgeschlossen bleibt, als ob diese Vorstellung in
  der Wahrnehmung enthalten sein könnte"    
- dieselbe Materie ist:
  einmal Materie einer Wahrnehmung und ...
  das andere Mal Materie einer blossen perzeptiven Fiktion
-> beides zugleich kann nicht vereinigt sein (evident)!
-> eine Wahrnehmung kann nie zugleich Fiktion des Wahrgenommenen, eine Fiktion nie Wahrnehmung des
  Fingierten sein

- nach deskriptiver Analyse sieht man, dass nicht jede Wahrnehmung eine Komplexion ist,
  in der ein Moment des "belief", der das Qualitative des Wahrnehmens ausmacht, sich auf einen vollen Akt
  der "Wahrnehmungsvorstellung" aufbaut


§ 28 Spezielle Erforschung der Sachlage beim Urteil (445)

Spezielle Erforschung der Sachlage beim Urteil

- ähnliche Sachlage: Urteile
  (für Logiker interessante Klasse von Akten)
  [Begriff an Aussagen (Prädikationen) orientiert, also ohne Wahrnehmungen, Erinnerungen o. ä.]
- im Urteil erscheint ein Sachverhalt (intensional gegenständlich)
- Sachverhalt:  kein sinnlich erscheinender Gegenstand (egal ob innere oder äussere Sinnlichkeit)
  (auch wenn er ein sinnlich Wahrgenommenes betrifft)
- in der Wahrnehmung ist ein Gegenstand leibhaft daseiend
  (ein Gegenstand ist seiend, wenn man ihn aufgrund dieser Wahrnehmung als seiend beurteilt)
- in diesem Urteil (auch ohne Wahrnehmung) ist das das Erscheinende das intentional Bewusste
  (nicht der seiende sinnliche Gegenstand, sondern die Tatsache, dass er ist)
- im Urteil scheint uns auch, dass etwas so beschaffen ist
- ebenso vollzieht sich dieses Scheinen in verschiedenen Formen (festes Meinen, Gewissheit, Überzeugtsein)
-> "Vermeinen, dass S ist oder nicht ist; dass Sp ist oder nicht p ist; dass entweder Sp oder Qr ist"...)

- das Objektive des urteilenden Vermeines = beurteilter Sachverhalt
- der beurteilte Sachverhalt wird durch reflektierende Erkenntnis unterschieden vom Urteilen selbst (Akt)
  [Wahrnehmung: wahrgenommener Gegenstand <-> Akt des Wahrnehmens
- Frage: Liegt das, was im Akte des Urteils die Materie ausmacht (was das Urteil zum Urteil dieses Sachverhalts determiniert) in einem fundierenden Akte des Vorstellens?
- durch diese Vorstellung wäre der Sachverhalt vorgestellt und würde dann mit dem neuen Akt der
  urteilenden Setzung konfrontiert (neue Aktqualität)

- zu jedem Urteil gibt es a priori (in Wesensallgemeinheit) eine Vorstellung, die mit ihm die Materie
  gemeinsam hat (und die genau das genauso vorstellt, wie das Urteil es urteilt)
- Bsp.:
  Urteil - "die Erdmasse ist ungefähr 1/325.000 der Sonnenmasse"
  (Hinweis: über Gravitationsgesetz, also F = -G((m1*m2)/r²)!)
  Vorstellung - (entsteht) bei dem, der diesen Ausspruch hört, sich aber nicht urteilend entscheidet
- Frage: ist dieser Akt Bestandteil auch des Urteils und dieses nur durch das urteilende Entscheiden,
  das zum blossen Vorstellen hinzutritt?
-> keine Doppelheit in der Aktqualität (laut deskriptiver Analyse)
-
(...)


§ 29 Fortsetzung. "Anerkennung" od. "Zustimmung" zu der blossen Vorstellung des Sachverhalts.
(446)

- Frage: Wie verhält sich die Komplexion?
- Erlebnisse: zuerst blosse Vorstellung -> erst dann Urteil, also Zustimmung (Anerkennung) oder Ablehnung,
  als evident neuer Akt
- neue Deutung (keine Ablehnung):
  an die "blosse Vorstellung" schliesst sich ein neuer Akt an (im Bewusstsein),
  aber: umschliesst er diesen auch?
  und: erwächst der neue aus dem alten Akt?
         gesellt sich zu ihm (als blosse Vorstellung) die spez. Urteilsqualität (belief-Charakter)?
         -> Komplettierung des konkreten Urteilserlebnisses?
- Vgl.: zu e. Wahrnehmungsakt gesellt sich die Aktqualität der Freude und komplettiert den Akt der Freude
- in diesem Hervorgehen des neuen Aktes aus dem alten bleibt ein Identisches (Materie) erhalten
- dieses Identische braucht nicht ein voller Akt des Vorstellens zu sein (die einzige Änderung ist das
  Hinzutreten einer durch ihn fundierten neuen Qualität)
- bei dem ursprl. Charakter des blossen Vorstellens wird der spezifische Charakter des Vorstellens durch
  den Urteilscharakter abgelöst
- das Identische kann mit der darin beschlossenen Materie in einem abstrakten Moment bestehen
  (kein voller Akt)
-
- es fehlt das, was die Rede von der Zustimmung begründet,





LOGISCHE UNTERSUCHUNGEN - II, IHA


§ 40 - 42

§ 40. Vermengungen der einerseits auf unselbständige Teilinhalte und andererseits auf Spezies bezogenen Begriffe von Abstraktion und Abstrakt.

S. 216
Die Abstraktionstheorie durch Aufmerksamkeit setzt voraus, dass in den Inhalten ein Unterschied besteht, der dem Unterschied zwischen Abstraktem und Konkretem entspricht. (Es besteht ein Widerspruch zur Lehre von der "distinctio rationis").

Im Sinne der Lehre von der d. r. soll es nur die lostrennbare Art von Teilen (Stücke) geben. Auf der anderen Seite unterscheidet man aber von diesen "selbständigen" Teilen (-> Stumpf) die unselbständigen Teilinhalte.
Zu den unselbständigen Teilinhalten gehören die "inneren Bestimmtheiten eines Inhalts mit Ausschluss der Stücke" (einschl. der Einheitsformen, die seine Teile zu einer Einheit verknüpfen).
=> konkrete und abstrakte Inhalte (Inhaltsteile)

In der Abstraktionslehre haben wir seit Locke eine Vermengung des Problemes der Abstraktion im Sinne der "Hervorhebung dieser 'abstrakten Inhalte'" mit dem Problem der Abstraktion im Sinne der "Begriffsbildung". Der zweite Fall ist eine deskriptive Wesensanalyse des Aktes (in dem uns eine Spezies zu evidentem Bewusstsein kommt) bzw. eine Klärung der Bedeutung eines allgemeinen Namens durch Rückgang auf die erfüllende Anschauung. Aber in empirisch psychologischer Sicht "ist es abgesehen auf die Erforschung der entsprechenden psychologischen Fakta Im Zusammenhang des menschlichen Bewusstseins, um den genetischen Ursprung der allgemeinen Vorstellungen des Menschen im natürlichen Prozess des naiven Dahinlebens oder im künstlichen der willkürlichen und logischen Begriffsbildung.

S. 217

Die Intention der abstrakten Vorstellungen geht auf Spezies und nicht auf die abstrakten oder unselbständigen Inhalte. Wenn diese Intentionen intuitiv erfüllt sind, dann liegen ihnen konkrete Anschauungen mit mit "gleichsam betonten abstrakten Teilinhalten" zugrunde. Die intendierten Spezies sind aber nicht diese Teilinhalte selbst. Sie werden keine Objekte eigener beachtender Akte (bei aller Betonung im Allgemeinheitsbewusstsein).
Es entstehen jedoch 3 Vermengungen:
Die abstrakten oder unselbständigen Momente werden beständig im Gegenstand mit den Spezies vermengt, die (entsprechenden) subjektiv erlebten abstrakten Inhalte mit den abstrakten Begriffen (Bedeutungen gewisser Namen) und die Akte der Beachtung (= Betonungen) dieser abstrakten Inhalte mit den Akten der allgemeinen Vorstellung.  

Bei Locke werden die abstrakten Ideen mit den allgemeinen Bedeutungen gleichgesetzt. Er beschreibt sie aber als Merkmale und und psychologisiert sie als abstrakte Empfindungsinhalte (getrennt von konkreten Anschauungen).
Die Aufmerksamkeitstheorie zeigt nach Husserl die Möglichkeit der eigenen Beachtung solcher abstrakten Inhalte (ohne Lostrennung!) und glaubt damit, den Ursprung der allgemeinen Begriffe als Bedeutungen geklärt zu haben. Genauso wird die Anschaulichkeit der abstrakten Inhalte geleugnet, obwohl sie auch als Momente konkreter Anschauungen betrachtet werden (können).
Nach Husserl liegt der Denkfehler darin, dass mann sich durch die "sinnliche Unanschaulichkeit der allgemeinen Begriffe" täuschen lässt. In der Tat kann man allgemeine Begriffe nicht als Bild darstellen. Man kann z. B. keine Töne malen und allgemein keine heterogenen Inhalte durch heterogene Inhalte abbilden.

S. 218

Oder noch kürzer gesagt: Etwas seinem Wesen nach Unsinnliches kann nicht sinnlich dargestellt werden.
Husserl unterscheidet generell verschiedene Begriffe von Abstrakt und Abstraktion und leitet damit zum nächsten Paragraphen über.


§ 41. Sondierung der Begriffe, die sich um den Begriff des unselbständigen Inhalts gruppieren

Husserl geht nun auf die Inhalte von zu seiner Zeit modernen Abstraktionstheorien ein:

a)
Abstrakte Inhalte sind unselbständige Inhalte, konkrete Inhalte sind selbständige Inhalte.

Der objektive Unterschied: Die konkreten Inhalte können ihrer eigenen Natur nach an und für sich sein und die abstrakten nur in und an konkreten Inhalten.
Der Begriff der Inhalte ist hier weiter gefasst als bei als bei reellen Bewusstseinselementen im phänomenologischen Sinne.
Der phänomenale äussere Gegenstand ist als Ganzes konkret (-> intentionaler/intendierter Gegenstand).
Er erscheint, ist aber kein reelles Bewusstseinsdatum.
Die ihm innewohnenden Bestimmtheiten (Farbe, Form usw.) sind abstrakt.

Diese gegenständliche Unterscheidung von Abstrakt und Konkret ist die allgemeinere. Immanente Inhalte sind dagegen spezieller, weil sie nur eine "spezielle Klasse von Gegenständen" (nicht: Dingen) sind.
Man kann auch von einer Unterscheidung von "abstrakten und konkreten Gegenständen (Gegenstandsteilen)"  sprechen.

S. 219

Husserl spricht nur der Übersichtlichkeit halber von Inhalten. Da die Unterscheidung auf dem Boden der Psychologie entstanden ist und diese gerne zu sinnlichen Veranschaulichungen neigt, kann die Interpretation des Begriffs Gegenstand als Ding verwirren. Doch darf man keineswegs glauben, dass die Rede von Inhalten auf die Sphäre der Bewusstseinsinhalte im reellen Sinn begrenzt sei. Alle individuellen Gegenstände (und Gegenstandsteile) werden eingeschlossen. Husserl erkennt in dieser Unterscheidung auch einen ontologischen Wert: Es sind so Gegenstände "möglich", die eigentlich hinter der allem menschlichen Bewusstsein zugänglichen Erscheinung liegen. Die Unterscheidung umfasst also allgemein gesagt individuelle Gegenstände überhaupt und gehört als solche der apriorischen, formalen Ontologie.


b)
Husserl definiert als nächstes Abstraktion auf Basis des objektiven (ontologischen) Begriffs von "abstrakten Inhalten": Mit Abstraktion ist der Akt gemeint, durch welchen ein abstrakter Inhalt unterschieden wird (nicht losgetrennt, aber eigenes Objekt des Vorstellens).
"Er erscheint in und mit dem betreffenden Konkretum, von dem er abstrahiert ist." Er ist gemeint, aber auch anschaulich gegeben.

S. 220

c)
Wenn wir auf eine der "in die Erscheinung fallenden" Seitenflächen eines Würfels achten, so ist er der "abstrakte Inhalt" unseres anschaulichen Vorstellens.
Der "wahrhaft erlebte Inhalt" ist jedoch nicht identisch mit der "erscheinenden Seitenfläche". Er ist nur die Grundlage einer "Auffassung", durch die, während er empfunden wird, die von ihm verschiedene Würfelfläche erscheint.

Der empfundene Inhalt ist nicht das Objekt unserer Anschauung (anschaulichen Vorstellens), sondern wird erst in der psychologischen/phänomenologischen Reflexion zu einem solchen.
Aufgrund der deskriptiven Analyse sieht man aber, dass er nicht nur im Ganzen der Würfelerscheinung mitenthalten ist, sondern dass er ihnen gegenüber gehoben (pointiert) ist.
Dies ist er auch dann, wenn er selbst zum Gegenstand einer "vorstellenden Intention" wird. Diese tritt aber noch hinzu.
Diese Hebung des Inhalts ist selbst kein Akt, dafür aber eine "deskriptive Eigentümlichkeit der Erscheinungsseite jener Akte". In ihnen wird der Inhalt zum Träger einer eigenen Intuition (Abstraktion).

d)
Es ist aber noch ein neuer (weiterer) Begriff des Abstrakten möglich:
Dieser erwächst, wenn das Abstrahieren ein eigenartiger Akt ist (oder überhaupt ein deskriptiv eigenartiges Erlebnis) oder wenn man in der Weise der Heraushebung das Wesentliche des abstrakten Inhaltes sieht.

Der Unterschied gegenüber dem Konkreten besteht nicht in der eigenen Natur der Inhalte, sondern in der Weise des Gegebenseins. Abstrakt ist ein inhalt dann, wenn er abstrahiert ist, konkret ist er dann, wenn er nicht abstrahiert ist.

Die Neigung, zur Charakteristik des Inhaltsunterschiedes auf die Akte zu rekurrieren, wird leicht durch die "Verwechslung mit den weiterfolgenden Begriffen" von Abstrakt und Konkret hervorgerufen. Dort liegt allerdings das Wesen der Sache in den Akten.

e)
Es kann auch noch eine andere Unterscheidung vorliegen:
Wenn man unter Abstrahieren im positiven Sinne das bevorzugende Beachten eines Inhalts versteht und unter Abstrahieren im negativen Sinne das Absehen von gleichzeitig mitgegebenen Inhalten, dann verliert das Wort seine ausschliessliche Beziehung zu den abstrakten Inhalten in dem Sinne von unselbständigen Inhalten.
Auch bei konkreten Inhalten spricht man - im negativen Sinne - von Abstraktion.


§ 42. Sonderung der Begriffe, die sich um den Begriff der Spezies gruppieren.

a) Es werden abstrakte und konkrete Begriffe unterschieden

Man unterscheidet abstrakte und konkrete Begriffe. Darunter versteht man die Bedeutung von Namen.
In der nominalistischen Logik taucht sogar nur diese Unterscheidung auf!

Diese Namen können 2 Dinge nennen: Individuen und Attribute.

1. Individuen (z. B. Mensch, Sokrates) -> konkrete Namen
2. Attribute (z. B. Tugend, Weisse, Ähnlichkeit) -> abstrakte Namen

Zu den konkreten Namen gehören auch die entsprechenden Prädikatsausdrücke. Dementsprechend ist zwar die "Tugend ein" abstrakter Name, der Prädikatsausdruck "tugendhaft" aber konkret.
Ebenso verhält es sich mit "weiss" und "ähnlich".
Es gibt jedoch Ausnahmen: Die Ausdrücke sind nämlich nur dann konkret, wenn die gemeinten Subjekte auch konkrete Subjekte sind. Namen wie "Attribut", "Farbe" und "Zahl" beziehen sich nämlich prädikativ nur mittelbar auf Individuen oder direkt/unmittelbar auf Attribute. Sie sind dann abstrakte Namen.

Hinter dieser grammatischen Unterscheidung liegt für Husserl eine logische, nämlich die Unterscheidung der nominalen Bedeutungen. Diese sind gerichtet auf Attribute und Gegenstände, die an Attributen Anteil haben.

1. Nennt man alle nominalen Bedeutungen Begriffe, dann zerfallen diese in abstrakte und konkrete.
   (vgl. Herbart)
2. Nennt man aber Begriffe Attribute, dann unterscheidet man zwischen Bedeutungen, die Begriffe und Bedeutungen, die Begriffsgegenstände (als solche) vorstellen.

Der Unterschied ist aber relativ, weil Begriffsgegenstände selbst den Charakter von Begriffen haben können.

-> Am Ende steht aber der absolute Unterschied zwischen Begriffen und Begriffsgegenständen.
(nicht infinitum)

Es stehen Attribute gegen Gegenstände, die Attribute haben, aber keine sind.

Dem Unterschied der Bedeutungen entspricht ein Unterschied der indivituellen und allgemeinen Gegenstände.

Begriffe nennt man aber die "direkten Vorstellungen allgemeiner Gegenstände".


→ direkte Vorstellungen allgemeiner Gegenstände = Begriffe

z. B. Röte (heisst) → Röte selbst (rotes Ding) oder Bedeutung der Röte
Sokrates → Sokrates selbst

aber: Auch der Begriff der Bedeutung kann den Gegenstand der Vorstellung oder ihrem Inhalt nennen (Sinn des Namens)

(Wenn aber Bedeutung auch Begriff heisst, wird die beziehende Rede von Begriff und Begriffsgegenstand zweideutig.)















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